Auch wenn uns das Gewitter beim (versuchten) Sleep out knapp verfehlt hat, ist es doch deutlich abgekühlt. Als wir am nächsten Morgen aufstehen, sind alle in Pullover und Jacken gehüllt. Einige meiner Mitschüler sehe ich zum ersten Mal in langen Hosen. Ich schaue auf mein Handy: 26°C. Das klingt jetzt vielleicht nicht kalt, ist aber mal eben 14 Grad kälter als am Vortag und außerdem weht ein kühler Wind. Zum Glück ist am Tag nach unserem Sleep Out Consolidation Day. Das ist der eine Tag in der Woche, an dem keine Drives, keine Walks, keine Lectures und keine Tests anstehen und den wir komplett zur freien Verfügung haben. Der eine Tag in der Woche, an dem unser Tag erst mit dem Frühstück um 10 Uhr beginnt und wir ausschlafen können. Ich stehe trotzdem immer schon früh auf, um meinen Schlafrhythmus nicht völlig aus der Bahn zu werfen. Für ein Nickerchen findet sich am Consolidation Day immer etwas Zeit. Einige von uns schalten bei einer Runde Volleyball oder Fußball ab (jedenfalls diejenigen von uns, die Fußball spielen können..) oder liegen einfach nur rum. Es bietet sich allerdings auch an, den Tag zum Lernen zu nutzen, da wir an einem normalen Tag mit zwei Activities wenig Zeit dafür haben. Vor allem aber, weil am Tag nach dem Consolidation Day immer unsere “Field Obs” (Field Observations) anstehen.

Field Obs sind quasi Tests am lebenden Objekt, in denen unsere Instructors Dinge überprüfen, die wir bisher gelernt haben. Dafür fahren wir raus ins Reserve und die Instructors markieren verschiedenste Bäume, Spuren, Blumen, Gräser etc. Danach gehen wir allesamt mit Klemmbrettern bewaffnet die markierten Stellen ab und müssen a) benennen, um welche Spezies es sich handelt und b) eine geforderte Zusatzinfo geben. Also bei Spuren kann das zum Beispiel sein “Welches Tier ist hier gelaufen und in welche Richtung?”, “Welche Sozialstruktur hat dieses Tier” oder “Welche Verdauungsart hat dieses Tier?”. Bei Bäumen und Blumen wird meist ein medizinischer oder traditioneller Nutzen gefragt. Die letzten zehn Fragen sind immer Vogelrufe, die die Instructors über eine App abspielen und wir müssen aufschreiben, welche Spezies da singt.

Ich bin bei Field Obs immer wieder fasziniert, was wir schon alles gelernt haben. Ich bin aber auch froh, dass mir diese Tests ziemlich leicht fallen. Die meisten Spuren muss ich nur kurz anschauen und weiß, worum es sich handelt. Nur die Tracks von kleineren Tieren fallen mir noch schwer, weil die alle ziemlich gleich aussehen. Wenn also gefragt wird, welche der gefühlt hundert verschiedenen Spezies von Mongoose hier durch den Sand gelaufen ist, habe ich oft keine Ahnung und rate einfach in Blaue hinein. Das klappt aber überraschend oft und ich habe bei allen Field Obs bisher immer 90 bis 100% erreicht.
Das hilft mir bisher allerdings nicht so viel, weil die ersten beiden Field Obs nur zur Übung waren, die Scores zählen nicht für unsere finale Kursnote. Ab den kommenden Field Obs wird es etwas ernster, die dritten, vierten und fünften Field Obs zählen also. Wie für alle Tests während dieses Kurses gilt: Wer weniger als 50% erreicht, muss den Test wiederholen. Das bisher aber nur in Einzelfällen vorgekommen und nicht bei Field Obs, sondern nur bei den Tests, die wir fast täglich über die Lecture des Vortags schreiben. Ich befürchte zwar nicht, dass mein Score so niedrig sein könnte, trotzdem nutze ich den Consolidation Day hauptsächlich zum Lernen.
Als der Tag der Field Obs gekommen ist, merkt man, dass der Schwierigkeitsgrad langsam steigt, die Instructors kreisen nun nicht mehr nur die aller einfachsten Spuren ein und verlangen etwas tiefere Antworten als “Dieser Baum ist gutes Feuerholz”. Aber auch diese dritten Field Obs sind absolut machbar und ich bin mit meinem Score von 29/30 Punkten mehr als zufrieden.

Nach den Field Obs lernen wir unseren neuen Instructor André kennen. Er ist Afrikaans wie aus dem Lehrbuch und mir direkt sympathisch. Am Nachmittag bringt André uns ein paar Radio-Procedures bei. Dabei sprechen jeweils zwei Schüler über Walkie Talkies miteinander und wir üben verschiedene Szenarien, wie wir Sightings melden, wie wir mit anderen Guides sprechen etc. Außerdem üben wir nochmal unsere Funksprüche, die wir bei jedem Drive als Guide durchgeben müssen. Danach müssen wir nochmal alle einen Reifenwechsel am Land Rover vornehmen, damit wir unserer Unterschrift dafür bekommen können. Wir müssen im Laufe des Kurses verschiedenste Unterschriften von den Instructors sammeln, die belegen, dass wir in einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Tätigkeit fähig genug sind um für die finale Prüfung zugelassen zu werden. Also greifen wir alle nacheinander nochmal zum Wagenkreuz, während Norman sich das Ganze ansieht und lustig kommentiert. Wenigstens ist es diesmal nicht so heiß wie bei unserem ersten Reifenwechsel und es geht alles etwas leichter von der Hand.

Mit André haben wir endlich wieder ein bisschen Stabilität in unserem Camp-Alltag. Nach den ständig wechselnden Instructors in den letzten Wochen wird er uns nämlich bis zum Ende unserer Zeit in Karongwe erhalten bleiben. So pendelt sich wieder etwas Normalität ein und schnell fallen wir wieder in unsere normale Routine. Auch das Wetter ist wieder “back to normal”, die kühleren Temperaturen haben nur zwei Tage angehalten, inzwischen ist es wieder heiß.
Ich guide meinen zweiten Drive mit André und wir erkunden einen Teil im Süden von Karongwe, in den wir bisher noch nicht vorgedrungen sind. Als ich den Landy um eine Ecke lenke, finden wir eine wunderschöne große, offene Ebene und darauf eine riesige Herde Impalas. Die untergehende Sonne und die Drakensberge im Hintergrund machen das Bild perfekt. Ich genieße auch diesen Drive sehr und auch André ist voll zufrieden mit meiner Leistung.

Wenige Tage später steht für meine Gruppe wieder ein Drive mit Norman an. Zu unserer Überraschung guidet aber keiner von uns Schülern, sondern Norman selbst schwingt sich auf den Fahrersitz. Ich greife diese Gelegenheit beim Schopf und klettere kurzerhand auf den Tracker Seat. Wir Schüler dürfen nämlich nur auf dem Tracker Seat sitzen, wenn einer der Instructors fährt. Wir fahren los und Norman gibt mal wieder ordentlich Gas. “Fahren wir in den Norden?”, fragt einer meiner Mitschüler. “Ja”, ruft Norman über den Fahrtwind, “der heutige Drive dreht sich um Elefanten und sie wurden im Norden gesehen”. Sofort drehe ich mich strahlend zu Norman um und er muss lachen, als er mein Gesicht sieht. “Ich wusste, das würde dir gefallen”, ruft er. Ich genieße jede Sekunde im Tracker Seat. Es ist zwar noch kühl und der Fahrtwind bedeckt meine Beine mit Gänsehaut, aber es macht unfassbar viel Spaß, ganz vorne zu sitzen und die Straße unter meinen herabhängenden Füßen vorbei rauschen zu sehen. Da Norman mal wieder das übliche Tempo drauf hat, hat es sowieso keinen Sinn nach Spuren Ausschau zu halten, also lehne ich mich einfach zurück und genieße die Aussicht.

Wir waren nun schon ein paar Mal im Norden von Karongwe, aber heute erkunden wir einen neuen Teil, quasi den Norden des Nordens. Wir fahren bis zum Makutsi Fluss rauf, weiter dürfen wir nicht, weil auf der anderen Seite des Flusses die Landbesitzer wohnen. Und ich kann verstehen, warum sie sich genau hier niedergelassen haben, die Gegend ist ein Traum, saftig grün und dicht bewachsen. Überall hören und sehen wir verschiedenste bunte Vögel und entlang des Flusses wachsen wunderschöne, riesige Jackalberrys, Leadwoods, Nyalaberrys und viele andere Bäume, alle doppelt so groß wie bei uns im trockeneren Süden.
Die Suche nach den Elefanten gestaltet sich allerdings eher schwierig. Die Informationen, die die anderen Guides uns übers Radio geben, sind mehr als lückenhaft und widersprüchlich. Wir treffen eine Gruppe Touristen und ihren Guide, der uns wieder in die Richtung schickt, aus der wir gerade kommen. Außerdem weist er Norman sehr deutlich darauf hin, dass ich nicht im Tracker Seat sitzen darf. Damit hat er genau genommen recht, wir students dürfen nicht im Tracker Seat sitzen, wenn wir auf die Big 5 treffen bzw. sie suchen. Norman bittet mich also, mein “Office” zu schließen und mich zu den Anderen zu setzen. Ich klettere also von der Motorhaube, klappe den Tracker Seat zu und setze mich in die letzte Reihe zu James und Anka. Dann setzen wir unsere Suche fort, ohne Erfolg. Nach einer Weile bittet Norman mich, mich wieder in den Tracker Seat zu setzen. Das mache ich nur zu gerne. Aber nach nur wenigen Minuten kommt wieder eine Meldung übers Radio, dass die Elefanten ganz in unserer Nähe sein. Ich schließe also wieder mein “Office” und setze mich zu meinen Mitschülern. Dieses Spiel geht ein paar Stunden lang so weiter und ich klettere an diesem Morgen ungefähr sieben Mal vom Tracker Seat in den Wagen und wieder zurück. Schließlich finden wir dann immerhin einen Elefanten und schauen ihm eine Weile beim Grasen zu, der Rest von ihnen lässt sich aber leider nicht blicken. Dafür läuft uns eine ganze Großfamilie Warzenschweine mit kleinen Ferkeln über den Weg. Die haben wir zwar auch schon ein paar Mal gesehen, allerdings immer nur für wenige Sekunden, bevor sie dann schnell wegrennen, das Schwänzchen wie eine Antenne in die Luft gereckt. Diese Familie ist komplett entspannt und läuft vor und hinter unserem Wagen auf der Straße hin und her.
Mit ein bisschen Abstand von dem Elefanten darf ich mich wieder auf der Tracker Seat schwingen und wir machen uns langsam auf den Rückweg Richtung Camp. Unterwegs sehen wir noch die üblichen Zebras und Antilopen und als wir um eine Ecke biegen, fahren wir auf einmal mitten in eine Gruppe Giraffen hinein. Es sind mindestens sieben, eine von ihnen steht direkt auf der Straße, nur einige Meter vor mir. Es ist immer toll, diese wundervollen Riesen zu sehen, aber im Tracker Seat ist das nochmal ein ganz besonderes Gefühl, da ist einfach nichts zwischen mir und den Tieren. Ich verstehe wirklich nicht, warum viele meiner Mitschüler nicht gerne im Tracker Seat sitzen. Wenn die Instructors fahren und fragen, wer vorne sitzen möchte, melden sich fast immer nur Coneth, Nici und ich. Naja, selbst Schuld, ihnen entgeht was!

Unglaublich, dass wir schon seit knapp einem Monat hier sind! Uns bleibt nur noch etwa eine Woche in Karongwe, bevor wir in das nächste Camp umziehen, wo unsere Prüfungen anstehen.
Eines verändert sich aber bis zum Ende unserer Zeit in Karongwe nicht: Es bleibt heiß! Jeden Tag aufs Neue klettert das Thermostat auf knapp 40°C und auch nachts fällt es nicht auf unter 20°C. Die Hitze zerrt ganz schön an unseren Kräften, schattige Plätze gibt es im Camp nicht viele und auch der Lecture Room ist heiß und stickig.
Als für meine Gruppe an einem besonders heißen Nachmittag ein Walk ansteht, haben wir eigentlich herzlich wenig Lust, uns bei diesen Temperaturen durch das Dickicht zu kämpfen. Aber Craig hat dann zum Glück eine sehr gute Idee: Er schlägt einen Silent Walk im Flussbett vor und wir nehmen den Vorschlag dankend an. Wenn meine Energie heute so gerade eben für einen leichten Walk ausreicht, reicht sie ganz sicher nicht zum Reden und schon gar nicht, um Mikas blöde Witze auszuhalten. Ein Silent Walk klingt also großartig!

Und das ist er dann auch. Wir wiederholen das übliche Safety Briefing im Camp und dann heißt es Schweigen. Zu meiner Überraschung halten sich sogar alle daran. Wortlos verlassen wir das Camp auf einem Weg, den wir bisher noch nicht kennen und stiefeln los durch hohes Gras. Auch wenn wir auf Walks eigentlich immer leise sein sollen, wird natürlich ab und zu gequatscht, gelacht und über die Dinge gesprochen, die wir gerade sehen. In vollkommener Stille ist dieser Walk eine interessante Erfahrung. Nach nur wenigen Minuten kreuzt eine Herde Gnus mit Jungtieren vielleicht fünfzig Meter vor uns unseren Weg. Wir bekommen ein ganz schönen Schreck, als das erste von ihnen aus dem Busch gesprungen kommt. Trotzdem bleiben wir alle still und beobachten sie nur. Craig bedeutet uns weiterzugehen und wir suchen uns unseren Weg hinab in das trockene Bett des Karongwe Flusses. Wir sind nur knapp einen Kilometer vom Camp entfernt, aber hier ist es wie in einer anderen Welt. Auf beiden Seiten des Flussbetts ragen riesige Sicamore Feigenbäume in die Höhe, ihre dicken Stämme leuchten golden im Nachmittagslicht und ein paar Sonnenstrahlen fallen durch die dichten Baumkronen und tauchen alles in einen grünen Schimmer. Wie hatten wir wochenlang keine Ahnung, dass dieser Ort existiert?

Craig erklärt uns durch Gesten, dass wir uns auf den Felsen am gegenüberliegenden Flussufer verteilen sollen. So sucht sich jeder ein Plätzchen und packt seinen Sundowner-Drink aus. Nach ein paar zischenden Flaschendeckeln herrscht dann wieder Stille. Jedenfalls von uns, wir hören die Vögel in den Feigenbäumen singen und rascheln. Und plötzlich hören wir ein anderes, uns gut bekanntes Geräusch: Ein lautes “Bah-hu”, den Alarmruf eines Baboons. Und dann noch einen und noch einen. Wir haben diese Rufe schon oft in der Umgebung des Camps gehört und meistens nutzen wir sie als Signal, dass der Leopard sich wieder ums Camp herum treibt, darum ist mein erster Gedanke “Leopard!”. Aber direkt darauf wird mir klar, dass die Baboons wahrscheinlich unseretwegen Alarm schlagen, nicht wegen eines Raubtiers. Ich schaue mich um und tatsächlich, in einer Entfernung sitzen ein paar Baboons im Flussbett im Sand und schauen sehr unzufrieden in unsere Richtung. Wahrscheinlich wollen sie sich für die Nacht in einer der Sicamore Feigen niederlassen und wir versperren ihnen den Weg. Nach und nach kommen immer mehr der Primaten hervor und schauen neugierig zu uns herüber. Sie schicken ein paar Späher vor, die sich in den Bäumen immer näher an uns heran pierschen. Dann drehen sie sich um und laufen zurück zu ihrer Truppe, um Bericht zu erstatten und kommen dann wieder in unsere Richtung, jedes Mal einen Meter näher. Ihr Verhalten ist interessant und unterhaltsam zu beobachten.
Nach einer Weile winkt Craig uns wieder zusammen und wir machen uns auf den Rückweg ins Camp. Erst als wir wieder vor dem Lecture Room stehen, bricht Craig das Schweigen und dankt uns, dass wir so gut mitgemacht haben.

Wenige Tage später werden Nici und ich um 3 Uhr morgens von lauten Hyänenrufen geweckt. Aber wir bekommen sie wieder nicht zu sehen. Am selben Tag absolviere ich am Morgen meinen dritten Drive als Guide mit Craig. Unterwegs fallen mir während der Fahrt Spuren auf der Straße auf und ich steige aus, um sie meinen Gästen zu erklären. Es sind eindeutig Spuren von Hyänen, was einleuchtet, weil wir uns ganz in der Nähe des Camps befinden und wir sie ja heute Morgen gehört haben. Ich freue mich, dass ich zum ersten Mal über Hyänenspuren sprechen kann und nicht immer nur über die von Büffel, Zebras und Impalas. Wir fahren wieder zu der offenen Ebene, auf der wir neulich die Impalaherde gesehen haben. Leider finden wir hier diesmal keine Tiere, aber Craig hat eine Idee: Er macht mit uns eine Art “Mini Field Obs” zur Übung, da bald schon wieder die nächsten anstehen. Wir klettern also vom Wagen und Craig testet unser Wissen über alle möglichen Spuren, Bäume und Haufen, die wir so finden können. Plötzlich hören wir ein ungewohntes Geräusch und wir alle erstarren und sperren die Ohren auf. Ich schaue Nici an und Craig sieht unsere Blicke. “Wisst ihr, was das war?”, fragt er mit einem verschwörerischen Lächeln. “Baby Hyena”, sagen Nici und ich und Craig nickt.
Wir gehen in die Richtung, aus der das Geräusch kam und finden im dichten Busch ein trockenes Flussbett. Mucksmäuschenstill stehen wir da und hoffen, dass wir die Hyänen erneut hören. Doch es bleit still. Ich gehe ein paar Schritte näher an die Kante zum Flussbett heran. Da sehe ich für einen kurzen Moment eine kleine, dunkle Gestalt, die sich durch das hohe Gras bewegt und dort verschwindet. Sofort deute ich in die Richtung und drehe mich zu den anderen um. “Wir haben schon vermutet, dass die Hyänen Jungtiere haben, aber wir wussten nicht, wo der Bau ist”, flüstert Craig, “Ich glaube, wir haben ihn gerade gefunden”. Das sind großartige Neuigkeiten! In fast fünf Wochen in Karongwe haben wir nicht eine einzige Hyäne gesehen, wir hören sie nur oft in der Nacht. Zufällig steht heute Abend unser letzter Night Drive in Karongwe an. Die machen zwar immer viel Spaß, allerdings haben wir bisher außer ein paar nachtaktiven Vögeln noch nichts super aufregendes gesehen. Natürlich fragen wir Craig, ob wir am Abend wieder hier her kommen können, wenn die Hyänen normalerweise aktiv sind. “Klar kommen wir hier hin”, sagt er und wir strahlen. Zurück im Camp erzählen wir sofort unseren Mitschülern von unserer Entdeckung und nun freuen sich alle noch mehr auf den Night Drive als sie das ohnehin schon tun.

Nach dem Abendessen schwingen wir uns auf die beiden Land Rover und fahren hinaus in das dunkle Reserve. Leider fahren wir aber nicht direkt zum Hyänenbau, sondern zum Sunday’s Rock, einer flachen Granitformation, denn André will uns erstmal in Astronomie testen, damit wir auch hierfür alle unsere Unterschrift bekommen. Mit einem Laserpointer zeigt er uns noch einmal die wichtigsten Planeten, Sterne und Formationen, die Pleiaden, Taurus, Orion, das Southern Cross und wie man anhand der Sterne Norden und Süden bestimmt. Dann sind wir dran und sollen ihm das Ganze nacheinander noch einmal von vorne erzählen, zusammen mit einer Geschichte über die Entstehung der Milchstraße, die wir im Vorfeld eigenständig recherchieren sollten. Coneth und ich melden uns gleichzeitig, dass wir gerne als Erste unser Wissen präsentieren wollen. Wir regeln das wie echte Erwachsene mit einer Runde Schnick-Schnack-Schnuck und ich habe gerade sein Papier mit meiner Schere geschlagen, als wir plötzlich das Radio im Auto hören. “André for Craig” hören wir Craig’s tiefe Stimme verzerrt über die Felsen schallen. André läuft zum Wagen und wir hören nur Fetzen der Unterhaltung. “…out in the open…”, “…make our way there…”, “…fourty minutes…”. Trotzdem wissen wir sofort, worum es geht: Die andere Gruppe ist direkt zu der Ebene beim Hyänenbau gefahren und hat sie gefunden. Wir sind sofort neidisch und wollen auch dort hin. Allerdings sind wir vom Camp aus nach Norden gefahren und der Bau ist ganz im Süden. André kommt zu uns zurück und bestätigt, was wir schon wissen. “Sie haben die Hyänen gefunden. Wir können hin fahren, wenn ihr wollt, es ist aber recht weit, das dauert bestimmt so 40 Minuten”. “Mach zehn draus”, sagen wir, schon auf halber Strecke zum Wagen. “Ich versuch’s”, sagt André lachend.
Und er versucht es. Alles, was wir bisher eine Ferrari-Safari genannt haben, bekommt den Titel augenblicklich aberkannt, denn was André an diesem Abend auf die Piste legt, haben wir selbst von Norman noch nicht erlebt. Wir heizen mit einem Affenzahn durch die Nacht, Nici, Shuma und ich sitzen in der ersten Reihe und krallen uns an die Haltestange vor uns. Coneth sitzt auf dem Tracker Seat vorne auf der Motorhaube und ich will nicht wissen, wie viele Spinnenweben, Fliegen und Falter er heute unfreiwillig zu Abend isst. Wir haben einen riesen Spaß auf dieser Achterbahnfahrt.
Kurz vor unserem Ziel fährt André dann wieder langsam, um die Tiere nicht zu verscheuchen, wenn wir kommen. Die ganze Fahrt hat keine 15 Minuten gedauert.
Und tatsächlich, als wir uns der Ebene nähern, sehen wir bereits ein paar der Hyänen dort sitzen, im Scheinwerferlicht des anderen Land Rovers. Es sind ein paar ausgewachsene Weibchen mit Jungtieren. Die sind so jung, dass ihre Beine noch ganz dunkel sind. Tüpfelhyänen sind nämlich komplett schwarz oder dunkelbraun, wenn sie auf die Welt kommen und tauschen erst im Laufe der Zeit das dunkle Fell gegen das braun-schwarz-gepunktete Muster aus.
Kurz darauf stehen die Hyänen auf und wir können sie auf der Ebene noch eine Weile beobachten, bevor sie im dichten Busch verschwinden.
Wir sind überglücklich, dass wir sie endlich gesehen haben.

Schließlich steht aber doch noch Astronomie auf dem Programm. Da wir nun sowieso auf einer großen, offenen Fläche stehen, wo die Bäume uns nicht die Sicht verdecken, beschließen wir, unsere Astronomie-Prüfung gleich hier abzulegen. Alle schalten also ihre Lampen aus, damit wir einen uneingeschränkten Blick auf die Sterne haben. Ich gehe mit André ein paar Meter vom Wagen weg, außerhalb der Hörweite der Anderen, und er drückt mir seinen Laserpointer in die Hand. Nacheinander zeige ich ihm genau das, was er uns vor nicht mal einer Stunde selbst erklärt hat, ich zeige ihm den Jupiter, benenne alle Sterne im Orion und demonstriere, wie ich mit dem Southern Cross Süden bestimmen kann. Dann erzähle ich ihm noch eine Geschichte über die Milchstraße und er lässt mich mit einem Lob zurück zum Wagen gehen. Das wäre also auch geschafft.
Auf halber Strecke kommt mir Coneth entgegen, der als nächster dran ist. “Well done, Allie”, sagt er und gibt mir eine Fist Bump. Scheinbar kann man uns doch vom Wagen aus hören. Naja, dann können eben alle nochmal üben. Ich setze mich auf den nun frei gewordenen Tracker Seat auf der Motorhaube und lehne mich so weit es geht nach hinten, um in die Sterne zu schauen, über die ich gerade noch monologisiert habe. Im Camp haben wir durch die vielen Bäume nicht so viele Möglichkeiten, den Sternenhimmel zu genießen. Aber hier draußen in der weitläufigen Ebene leuchtet uns die Milchstraße hell entgegen. Leider ist meine Position im Tracker Seat nicht sonderlich bequem und als Coneth zurück kommt, legen wir uns kurzerhand vor dem Land Rover auf den Boden. Danach liefert auch Nici ab und legt sich zu uns. Wir alle hoffen, dass die Hyänen noch einmal zurück kommen, aber eigentlich wissen wir, wie unwahrscheinlich das ist. Die sind heute Nacht erstmal unterwegs und kommen erst am frühen Morgen zurück.
Nachdem alle aus unserer Gruppe ihr Astronomie-Wissen erfolgreich unter Beweis gestellt haben, machen wir uns auf den Weg zurück zum Camp, diesmal wieder in normalem Safaritempo.