Nathan und Norman übergeben nun das Steuer an uns Schüler. Inzwischen haben wir genug gelernt, um selbst als Guides unsere Drives und Walks zu leiten. Das beginnt damit, dass die Gruppe sich trifft und der Guide einen “Guest Check” durchführt, wie es in einer Lodge üblich ist. Der Guide des Tages heißt seine neuen “Gäste” in der “Lodge” willkommen, stellt sich vor und fragt die Namen und Interessen seiner Gäste ab. Nach ein paar Tagen machen wir uns einen Spaß daraus, uns für jeden Guest Check neue Persönlichkeiten zuzulegen, wir suchen uns spontan ein Land und einen Namen aus und stellen uns mit dem entsprechenden Akzent unserem Guide vor. Auch unsere Interessen sind jeden Tag neu. Naja, nicht bei allen von uns, Coneth will natürlich immer nur eins sehen: Leoparden. Dass wir noch immer keinen gesehen haben, macht ihn wahnsinnig.

Wie es der Zufall will, haben wir hier im Reserve viele Leopard Tortoises (Pantherschildkröten). Die haben ihren Namen von der gelb-schwarzen Musterung auf ihrem Panzer, haben sonst aber nicht gerade viel mit einem Leoparden gemeinsam, sind halt Schildkröten. Ich habe mir einen Spaß daraus gemacht Coneth auf unseren Game Drives mit seiner Leoparden-Obsession zu ärgern. Immer, wenn ich eine Schildkröte sehe, rufe ich “Leopard-” und erst wenn Coneth erschrocken zusammenzuckt, seine riesige Kamera gezückt hat und sich suchend umguckt, füge ich hinzu “-tortoise”. Er dreht sich dann lachend, aber mit bösem Blick zu mir um “Yo, Allie, that’s not even funny, bruh!” (Falls du dich jemals gefragt hast, wie man in Johannesburg redet, es ist genau so, jeder Satz beginnt mit “Yo” und endet mit “bruh”). Wir anderen sehen das anders und selbst Nathan hat angefangen, Coneth genau damit zu ärgern. So vertreieben wir uns die Zeit, wenn wir mal länger nichts aufregendes sehen.

Coneth schlüpft als erster aus unserer Gurppe in die Rolle des Guides und erklärt uns auf einem Walk bravorös alles, was wir so sehen. Es ist, als würde er das schon sein ganzes Leben lang machen. Kein Wunder, wenn er quasi jeden freien Tag auf Safari verbringt. Jedenfalls legt er ganz schön gut vor. Auch die anderen machen alle einen guten Job und ich werde immer aufgeregter vor meinem ersten Mal als Guide.
Da es seit Tagen ziemlich heiß ist, müssen wir manchmal den Plan etwas umschmeißen und lassen zum Beispiel Walks am Nachmittag ausfallen bzw. machen stattdessen einen Game Drive. Bei 38 Grad und praller Sonne stundenlang durch den Busch zu laufen ist einfach schwer aushaltbar und dem Lernen nicht wirklich zuträglich. Das heißt aber auch, dass unser Walk-oder-Drive-Rhythmus etwas durcheinander gerät und ich weiß bis einen Tag vor meinem Guiding gar nicht, was ich eigentlich machen werde.

Was mich aber vor allem nervös macht, ist die Tatsache, dass ich bei meinem Drive weder Nathan noch Norman an meiner Seite haben werde, wir bekommen nämlich neue Instructors. Nathan wird in einem anderen Camp gebraucht, dafür kommt Craig zu uns. Und Norman muss für eine Familienangelegenheit ein paar Tage weg, als Vertretung für ihn kommt Raymond.
Wie soll ich sagen, die beiden sind…anders. Craig ist ein älterer Kerl und schon seit zig Jahren im Business und Raymond sagt am ersten Tag nicht viel außer “Hallo”. Er ist in erster Linie Tracker und eigentlich kein Lehrer. Immerhin beweist er uns unbewusst, was Nathan und Norman immer prädigen: Als Guide muss man auch gute People Skills haben und die Leute unterhalten können. Raymond geht auf den Walks meist schweigend voraus, kreist eine Spur ein, deutet darauf und sagt: “What’s this?”. Dann sagt er nicht mehr viel, bis jemand von uns ihm die Antwort präsentiert. Einige der Tracks haben wir noch nie zuvor gesehen und stehen relativ ratlos drum herum. Wir sind uns alle einig, dass wir uns Nathan und Norman zurück wünschen, mit denen wir von Anfang an ein sehr freundschaftliches Verhältnis hatten.

Am Nachmittag, bevor ich dran bin, steht Ankas Game Drive an. Sie hat die Grundausbildung genau wie Sophia schon einmal gemacht und das erst vor zwei Jahren, sie weiß also noch viel und man merkt ihr sofort an, dass sie nicht zum ersten Mal guidet. Sie macht ihren Job super und wir haben viel Spaß auf dem Drive. Anka bekommt nur positives Feedback. Ich freue mich sehr für sie, aber die Messlatte liegt nun echt hoch. Ich weiß, dass ich mich nicht mit Anka vergleichen sollte, schließlich habe ich so etwas noch nie gemacht, aber ich will trotzdem gut abliefern. Immerhin hatte ich während Ankas Drive die Gelegenheit, Craig ein bisschen kennenzulernen und das nimmt mir schon einen Teil meiner Nervosität. Craig ist zwar deutlich ruhiger als Nathan oder Norman, aber auch super nett, hilfsbereit und hat einen trockenen Humor, den man verstehen muss, ich persönlich finde ihn zeimlich witzig.

Wie sich dann herausstellt, werde ich am nächsten Morgen auch einen Game Drive leiten. Jenny und Daniel fragen mich vor meinem Guest Check, ob sie sich irgendwelche bestimmten Themen wünschen sollen und ich sage ihnen, dass was mit Pflanzen nicht schlecht wäre. Eigentlich hoffe ich natürlich, dass wir viele Tiere sehen, über die ich etwas erzählen kann (Elefanten wären perfekt, über die kann ich stundenlang sprechen), aber das kann ich eben nicht planen. Außerdem merke ich, dass ich es super interessant finde, was wir hier über die Pflanzenwelt lernen.

Jeder Baum hat eine kulturelle Bedeutung oder eine Liste an medizinischen und anderen Nutzen oder meistens alles. Marula-Bäume zum Beispiel sind nicht nur schön und schenken uns herrlich leckere Früchte, die wir uns auf fast jedem Game Drive schmecken lassen, Marulas haben in der Kultur der Shangaan auch eine hohe Bedeutung. Es ist zum Beipiel der “Wedding Tree”, Paare werden traditionell unter einem Marula-Baum getraut. Und wenn ein Paar Streit hat oder sich sogar scheiden lassen will, werden die beiden an einen Marula-Baum gefesselt, bis sie sich wieder vertragen haben. Es ist außerdem der “Baum der Lebenden und der Toten”, wo die Menschen vieler afrikanischer Kulturen Kontakt zu Ihren Ahnen aufnehmen und er darf deswegen nicht gefällt werden.
In den ersten Tagen waren die Bäume des Busches für mich nicht viel mehr als schönes Grün, das leider die Sicht auf die Tiere verdeckt. Aber je mehr wir darüber lernen, desto mehr Spaß macht es, raus zu fahren und die verschiedenen Baumarten zu entdecken.

Als es Zeit für meinen Guest Check ist, rede ich einfach los und es ist dann auch wirklich nicht schwierig. Ich unterstreiche, dass es in den nächsten Tagen extrem heiß werden soll und alle genug Wasser und Sonnencreme mitnehmen sollen. Als ich die Interessen abfrage, wünschen sich Jenny und Daniel Pflanzen und “etwas Großes, Graues” und Coneth will wie erwartet nur eins sehen: “Leoparden, Allie! Leoparden in Bäumen, Leoparden am Wasser, Leoparden die vom Himmel regnen!”. “Ok”, lache ich, “das ist selten, aber ich schaue mal, was ich machen kann”. Als ich mit meiner Ansprache fertig bin, spenden meine Mitschüler mir Applaus und ich bekomme positives Feedback. Der einfache Teil ist also geschafft, bleibt nur noch der eigentliche Game Drive.

Am nächsten Morgen komme ich um fünf Uhr in die Küche, wo Jenny und Daniel schon fleißig sind. Sie sind heute das “Duty Team”, sie müssen also morgens Wasser kochen und dann den Rest des Camps wecken. Jenny war so lieb und hat die Kühlbox bzw. “Hot box” mit Kaffee und Tee für meinen Drive schon gepackt und bereit gestellt.
Ich nehme alles und gehe zum Car Port, stelle die Sachen ab, weil ich noch nicht weiß, welches Auto wir nehmen und warte auf Craig. Jeder Guide muss vor jedem Drive einen Vehicle Check durchführen. Als Craig kommt, gehen wir im Licht unserer Stirnlampen die Checkliste durch. Ich prüfe den Tankstand, die Reifen, Ersatzreifen, Ölstand, Kühlfüssigkeit, Kupplungsflüssigkeit und so weiter und hake alles auf der Liste ab. Wir geben Molly das “all clear” für den Drive.

Dann ist der Moment der Wahrheit gekommen, ich klettere auf den Fahrersitz und schalte die Zündung an. Ich starte den Motor und sehe im Rückspiegel, wie der Auspuff die obligatorische schwarze Defender-Wolke aushustet. Molly ist schon ganz schön in die Jahre gekommen und ich muss mich erstmal an die Kupplung und die kaum funktionierenden Bremsen gewöhnen, als ich langsam aber sicher zum Wendekreis fahre, wo meine Gruppe auf mich wartet. Als alle an Board geklettert sind, fällt mir plötzlich etwas ein: Ich habe die Hotbox unten am Car Port stehen lassen! Ups, da war ich wohl doch etwas nervös. Alle lachen und Anka geht schnell die Box holen. Keine Ahnung, warum ich so aufgeregt bin, schließlich bin ja hier, um zu lernen und niemand erwartet, dass ich das hier perfekt mache.
Als Anka wieder da ist, öffne ich die Fahrertür und stelle mich außen auf das Trittbrett, damit ich meine Gäste face to face ansprechen kann. So habe ich es Nathan und Norman unzählige Male machen sehen und hoffe, dass es bei mir genuso lässig aussieht, bezweifle es aber.
Ich begrüße meine “Gäste”, erkläre die üblichen Verhaltensregeln für den Game Drive und präsentiere unsere geplante Route. Als ich fertig bin und meine Mitfahrer keine weiteren Fragen haben, gibt Coneth mir ein Thumbs up und ich schwinge mich wieder hinters Lenkrad. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Craig sich in einem kleinen Buch Notizen macht, während ich den Defender auf die Schotterpiste lenke, die aus dem Camp führt.

Wir sind kaum auf der “Hauptstraße” angekommen, die einmal von West nach Ost durch das Reserve führt, da bittet mich Craig, den Wagen anzuhalten. Dann sagt er mir, wir sollen doch bitte fünf Minuten schweigend hier stehen und den Sonnenaufgang anschauen. Ich bin erst ein bisschen skeptisch, weil meine Gruppe tendenziell eher laut ist und ich vor allem mit Moritz, James und Coneth einige Labertaschen an Bord habe, Stille ist auf unseren Drives sonst nicht so angesagt. Ich weiß nicht, ob die sich darauf einlassen. Aber ich folge Craigs Vorschlag und versuche meinen Gästen diese Idee so schmackhaft wie möglich zu verkaufen. Als wir dann schweigend da sitzen und den Gesängen und Geräuschen des Busches lauschen, während wir die Sonne aufgehen sehen, merke ich sofort, dass Craigs Idee Gold wert ist. Es ist nicht nur für meine Gäste ein super Einstieg in den Drive, sondern es gibt auch mir etwas Zeit zum Durchatmen.

Etwas ruhiger fahre ich dann weiter und Craig navigiert mich über die holprigen Schotterpisten von Karongwe. Ich bin froh, dass ich mich schnell ins Fahren mit dem Defender reinfinde. Auch Craig macht mir ein Kompliment zu meinen Fahrkünsten und als ich ihm sage, dass ich noch nie so einen Wagen oder in solchem Gelände gefahren bin, ist er ganz überrascht.
Wir cruisen eine Weile durch die Gegend und sehen… absolut nichts! Nada. Niente. Der Busch ist wie ausgestorben. Auch wenn wir in den letzten Tagen nicht viel Glück mit Säugetieren hatten, waren doch immer viele Vögel zu sehen und zu hören, über die die anderen reden konnten. Aber an diesem Morgen begegnet uns einfach nichts. Ich werde langsam nervös und habe das Gefühl, ich bin schon zu lange still. Ich halte dann schließlich an ein paar Nashornspuren und einer “midden”, quasi einer Nashorn-Toilette, wo ein Bulle regelmäßig sein Revier markiert, und erkläre, was es damit auf sich hat. Ich versuche damit, so gut wie möglich Daniel’s und Craig’s Interessen (“groß und grau” und “Spurenlesen”) abzuhaken.
Direkt daneben finde ich noch eine Blue Comelina, eine Blume, die wir mit Nathan besprochen haben, und erkläre etwas über ihre Nutzen. Dann fahren wir weiter und eine Weile gibt es wieder nichts zu sehen. Ich versuche, keine Langeweile aufkommen zu lassen, indem ich meine Gäste auf dem Laufenden halte, wo wir sind und wo wir hin fahren.
Als ich an einem Marula-Baum anhalte und etwas darüber erzähle, verteile ich noch ein paar Früchte an meine Gäste. Schließlich sollen wir wann immer möglich alle Sinne unserer Gäste einbinden.
So geht es eine Zeit lang weiter und ich bin froh, als Craig kurz übernimmt und uns einen Baum vorstellt, den wir bisher noch nicht besprochen haben.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist es dann Zeit für unseren Coffee-Stop. Hierfür fahren wir zum Big Croc Dam, einem großen Wasserloch, das nach den Regenfällen der letzten Wochen mehr als gut gefüllt ist. Ich kündige unsere Pause über das Radio an und lasse meine Gäste aussteigen. Coneth kommt zu mir und gibt mir ein Fist Bump. “Du machst das mega gut, Allie”, sagt er mit einem Lächeln, supportive wie immer. Als er meinen skeptischen Blick sieht, fügt er hinzu “Ehrlich, du bist begeistert und mitreißend! Tut mir leid, dass wir keine Tiere sehen, das ist kacke, aber du machst das Beste draus und es ist echt interessant!” Als Anka und James dazu kommen und ihm beipflichten, bessert sich mein Gefühl etwas. Vielleicht bin ich selbst einfach zu kritisch.

Ich stelle den Klapptisch auf und serviere meinen Gästen Kaffee, Tee und Kekse. Wir genießen eine Weile die Aussicht auf das Wasser. Am anderen Ende des Dams hat sich eine Herde Hippos im Wasser niedergelassen und schaut zu uns herüber. Der Bulle “gähnt” einmal warnend und zeigt uns seine riesigen Zähne, scheint uns dann aber widerwillig an seinem Wasserloch zu dulden. Ich schaue kurz auf mein Handy. 07:56 Uhr. 30°C. Zum Glück habe ich meine Gäste im Pre-Briefing vor der Hitze gewarnt. Es ist nicht mal acht Uhr und in der Sonne ist jetzt schon kaum auszuhalten.

Als es Zeit zum Aufbruch ist, verstaue ich den Klapptisch wieder hinter dem Fahrersitz, packe die Kühlbox ein und stelle mich wieder außen auf das Trittbrett. Ich verkünde meinen Gästen die grobe Route, die wir nun zurück zum Camp nehmen und dann fahren wir los. Auf dem Rückweg zeigen sich dann auch endlich ein paar Tiere und ich kann hier und da etwas erklären. An einem kleinen Wasserloch passiert dann auf einmal ganz viel, in den Bäumen klettern ein paar Vervet Monkeys herum, im Wasser wartet ein Hamerkop auf einen Frosch oder Fisch und auch andere Vögel laufen und fliegen herum. Als ich den Wagen anhalte, verziehen sich die Affen leider, ich konzentriere mich also auf den Hamerkop und erzähle etwas über diese Vögel.

Schließlich sind wir wieder auf “East-West-Main”, der Straße, die einmal quer durch das Reserve führt. Ich weiß, dass es nun nur noch eine Abzweigung bis zum Camp ist und wir in ca. 20 Minuten da sein werden. “Fast geschafft”, denke ich. Da fallen mir plötzlich deutliche Spuren auf der sandigen Straße auf. Ich lehne mich beim Fahren seitlich über die Fahrertür und halte an. Solch eindeutige Spuren kann ich mir nicht entgehen lassen. Ich lasse meine Gäste noch ein letztes Mal aussteigen und alle beugen sich prüfend über die Spuren. Als auch ich mich darüber beuge, raunt Coneth mir zu: “Frische Löwen-Spuren”. “Sicher?”, flüstere ich zurück, “Kein Leopard?”. “Nee”, sagt er, “zu groß für Leopard”. Ich nicke ihm dankend zu und richte mich auf, als Craig dazu kommt. Ich erkläre die Spuren und als Craig dann fragt, von welchem Tier sie sind, sage ich unsicher “Von einem Löwen?”. Ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel. “Den Fehler kann man leicht machen”, sagt er dann. “Aber die Spur ist zu klein für einen Löwen. Durch den weichen Sand sieht die Pfote größer aus als sie eigentlich ist. Das hier war ein Leopard.”
Na toll. Hätte ich mal einfach auf meinen Instinkt gehört. Außerdem wissen wir ja, dass ein Leopard sich um das Camp herum treibt und dass die Löwen eigentlich immer im Norden des Reserves sind. Wie dumm von mir. Aber Craig sieht das ganz locker und gibt zu, dass das auf diesem Boden eine schwierige Unterscheidung ist. Er gratuliert mir sogar dazu, dass ich die Spur beim Fahren gesehen habe, ich habe also eine gute “situational awareness” und das ist als Guide ganz wichtig. Ich bin also nicht allzu enttäuscht als wir wieder in den Wagen steigen und Richtung Camp fahren.

In meinem Kopf überlege ich mir schon, was ich im Debrief zu meinen Gästen sage. Sowas wie “Wir haben zwar keinen Leoparden gefunden, aber dafür seine Spuren und wir wissen, dass er in der Nähe ist…”. Da höre ich plötzlich Coneth hinter mir rufen “Leopard! Leopard! Stop, Stop, Stop!”. Ich muss lachen, er will sich wohl revanchieren. Ich halte ich trotzdem an, Craig soll ja nicht den Eindruck bekommen, dass ich meine Gäste nicht ernst nehme. Ich drehe mich um und mir liegt schon ein Spruch auf den Lippen, bis ich Coneth’s weit aufgerissene Augen sehe. Er deutet aufgeregt auf irgendetwas rechts von der Straße. Ich folge seinem Blick und sehe tatsächlich etwas am Straßenrand, das nicht aussieht wie die Felsen daneben. So schnell ich kann lege ich den Rückwärtsgang ein und fahre ein paar Meter zurück.
Da sitzt er vor uns, der Leopard, der seit zwei Wochen immer in unserer Nähe scheint, aber uns ständig entwischt. Auf jedem Drive suchen wir die Baumkronen ab und suchen nach Bewegung im dichten Busch. Und hier sitzt die Katze einfach am Straßenrand und schaut uns an. Leider sind die meisten Leoparden extrem scheu und dieser ist keine Ausnahme. Als ich zurücksetze, dreht er sich um und verschwindet nach wenigen Sekunden im hohen Gras.
Wir warten noch kurz, ob er sich vielleicht doch nochmal kurz zeigt, wissen aber, dass das höchst unwahrscheinlich ist.
Wir können es gar nicht glauben. Ich drehe mich zu meinen Gästen um und sage “Well, wenigstens wissen wir nun, dass es sie wirklich gibt.” Coneth sagt mit einem breiten Grinsen “Ich bin dafür, dass Allie ab jetzt jeden Tag fährt”.

Auf den letzten Metern bis zum Camp passiert dann aber wirklich nichts mehr. Ich parke Molly im Schatten eines großen Tamboti Baums, der am Wendekreis steht und bedanke mich bei meinen Gästen für den schönen Drive. Ich mache mich bereit für mein Feedback von Craig. Er schaut in sein Notizbuch und liest die Punkte vor. “Du warst toll”, sagt er zu meiner Überraschung. “Du warst pünktlich, siehst professionell aus, deine Briefings waren top. Du fährst super und denkst stets an den Komfort deiner Gäste. Dein Hosting am Coffee Stop war toll” (Ich bin nicht ganz sicher, was er damit meint, schließlich habe ich nur den Tisch aufgebaut und ein paar Instant-Coffees ausgegeben. Aber scheinbar reicht das.) “Du hattest gute Informationen zu allem und hast diese mit den Interessen deiner Gäste verbunden. Und dass du die Leopardenspuren ganz alleine beim Fahren gefunden hast, war super.” Ich bin völlig perplex. Als Craig mit seiner Liste durch ist, fragt er mich “Wie hast du es denn empfunden?”. “Ähm”, sage ich, “nicht ganz so, ehrlich gesagt. Ich war super nervös und dass wir überhaupt nichts gesehen haben, hat mich nur noch mehr verunsichert. Ich hatte das Gefühl, ich habe mich nur aufs Fahren konzentriert und zu wenig gesagt.” “Dann hast du deine Nervosität gut überspielt”, sagt Craig, “davon haben wir nämlich nichts gemerkt.”
Meine Gäste steigen aus, ich bleibe noch kurz mit Craig zurück und bedanke mich bei ihm. Dann klettert er auf den Fahrersitz, um Molly in den engen Car Port zu bugsieren

Als ich hinter meinen Mitschülern her Richtung Lecture Room gehe, treffe ich dort auf Coneth. “Löwen, huh?”, sage ich mit aufgesetzt bösem Blick. “Ich geb dir deinen verdammten Leoparden und du gibst mir falsche Infos?” Coneth lacht. “Shit, tut mir echt leid, ich dachte wirklich, es wäre ein Löwe.” Wir diskutieren noch ein bisschen über die Spuren und gehen runter zur Feuerstelle, wo die andere Gruppe schon auf uns wartet. “Und, wie war’s?”, fragt Nicki. “Yo, Allie fucking killed it, bruh”, sagt Coneth. Ich gebe ihm einen Blick der sagt “Naja, jetzt übertreib mal nicht”, kann aber ein Grinsen nicht unterdrücken. Nicki gibt mir ein euphorisches “Yes, girl” und eine High Five.

Ich habe den Rest des Tages super gute Laune, so froh bin ich, dass ich meinen ersten Drive geschafft und mich scheinbar gut geschlagen habe. Und ganz nebenbei hat meine Gruppe gerade als erste die Big 5 abgehakt. Natürlich ist das hier kein Wettbewerb. Aber wir werden es bestimmt in den nächsten Tagen hier und da mal erwähnen…