Mit unseren First Aid Qualifikationen in der Tasche können wir endlich mit dem richtigen Kurs beginnen, mit Game Drives, Game Walks, Sleep-outs und all dem, weswegen wir eigentlich hier sind.

Bevor es richtig los geht, lernen wir aber erstmal, am Game Viewer einen Reifen zu wechseln. Platte Reifen sind auf Safari nicht unüblich, da wir den ganzen Tag über Stock und Stein fahren und jeder Safari-Guide muss früher oder später mal seine Gäste aus dem Auto bitten und den Ersatzreifen aufziehen. Das klingt jetzt erstmal einfach und die meisten Menschen haben das wohl am eigenen Auto auch schonmal gemacht.
Hier stehen wir aber bei 39 Grad und praller Mittagssonne vor unseren beiden Landrover Defendern, Susie Q und Molly, und haben eigentlich herzlich wenig Lust auf irgendeine Art von körperlicher Betätigung. Aber was sein muss, muss sein.

Nathan macht uns einmal vor, wie man den Wagen sichert, auf den Wagenheber aufbockt und den Reifen ab- und dann wieder dranschraubt. Wir stehen nur drum herum und uns läuft schon der Schweiß in Strömen runter. Danach sind wir an der Reihe und ziehen denselben Reifen immer wieder ab und wieder auf. Die etwas Kleineren von uns müssen sich dabei mit dem ganzen Körpergewicht an die Stange des Wagenhebers hängen, um den wuchtigen Landrover überhaupt hoch zu bekommen. Als ich an der Reihe bin, kann ich das Wagenkreuz kaum festhalten, so sehr schwitze ich. ich nehme all meine Kraft zusammen und schaffe es letztendlich, den knapp 20 kg schweren Reifen “auszutauschen”. Natürlich geht es dabei nicht um Geschwindigkeit, aber ich bin schon ein bisschen stolz, dass ich mit knapp 10 Minuten sogar eine der schnellsten bin. Ich bin fix und fertig, aber genieße auch das Gefühl, mir mal wieder die Hände schmutzig gemacht zu haben.

Zum Start des “richtigen” Kurses kommt dann auch unser zweiter Instructor, Norman, hinzu. Er ist ein Local und schon seit er denken kann im Busch unterwegs. Seine Spezialität ist vor allem Tracking, also Spurenlesen, was ich super spannend finde. Er hat sogar an einem der am meisten genutzten Lehrbücher fürs Tracking mitgearbeitet, das wir auch viel während des Kurses verwenden. Norman ist außerdem ein super lieber und lustiger Typ, genau wie Nathan. Beide sind aufgeschlossen, verständnisvoll, und brennen mit einer ansteckenden Leidenschaft fürs Guiding. Mit den beiden werden wir in den nächsten Wochen noch viel Spaß haben.

Auf unseren ersten Game Drives ist meine Gruppe meistens mit Nathan unterwegs. Da der Busch so eng ist, hängen alle paar Meter Zweige über den Weg und ständig müssen wir uns ducken, um den teilweise spitzen Dornen zu entgehen. Nathan fährt zum Glück entspannt langsam und warnt uns jedes Mal, wenn und wieder Gestrüpp entgegen kommt oder die unebenen Straßen besonders holprig werden. Wir sehen nichts furchtbar aufregendes. Ein paar Impalas und Waterbucks, die unseren Weg kreuzen, und unglaublich viele Vögel sind erstmal die einzigen Tiere, die der dichte Busch uns freigeben will. Für den Rest müssen wir uns wohl noch ein bisschen gedulden. Dafür fangen wir direkt an, eine ganze Menge über die Pflanzenwelt zu lernen und es ist echt interessant. Innerhalb weniger Tage können wir schon über zehn Bäume identifizieren, kennen ihre kulturelle Bedeutung und medizinische Nutzen. Und es werden jeden Tag mehr. Es macht riesen Spaß, was nicht zuletzt an Nathans sympathischer Art liegt und seinem Talent, alles spannend zu erklären, auch wenn Botanik normalerweise nicht ganz oben auf meiner Liste von Interessen steht.

Am dritten Tag ist es dann so weit und wir haben unsere ersten aufregenden Sightings. Meine Gruppe ist heute zum ersten Mal mit Norman unterwegs. Zu sagen, dass Norman einen etwas anderen Fahrstil hat als Nathan, wäre eine Untertreibung. Wir haben weder einen festen Plan noch Zeitdruck, aber Norman drückt ganz schön aufs Gas und wir alle krallen uns an die Haltegriffe. Die Zweige peitschen uns ins Gesicht und auf die Arme und Beine. Schon nach zwei Minuten Fahrt habe ich einen blutigen Kratzer am Arm und rücke zur Sicherheit ein Stück weiter Richtung Mitte der Sitzbank. Anka sitzt im Tracker Seat, dem Sitz vorne auf der Motorhaube, von dem aus der Tracker nach Spuren Ausschau hält, und auch sie krallt sich mit aller Kraft an ihrem Griff auf der Motorhaube fest.
Als wir um eine Ecke fahren, bleibt Norman plötzlich stehen. Wenige Meter vor uns ist ein kleines Wasserloch, in dem drei Büffel liegen und sich abkühlen. Als wir angefahren kommen, heben sie empört die Köpfe und schauen uns eine Wiele einfach nur an, während wir aufgeregt Fotos schießen. Dann entscheiden sie wohl, dass wir mit unserem plumpen Reinplatzen die Idylle ihres Bads gestört haben, und sie steigen aus ihrem Tümpel und gehen ein Stück weiter, wo der Rest ihrer kleinen Herde wartet, insgesamt vielleicht 20 Tiere. Wir beobachten sie eine Weile schweigend.

Natürlich geht es bei einer Safari um so viel mehr, als nur die “Big 5”, also Löwen, Elefanten, Nashorn, Büffel und Leoparden, zu sehen. Der Busch hat einfach so viel mehr zu bieten! Aber wir freuen uns trotzdem, dass wir nun eins der fünf Tiere auf der imaginären Liste abhaken können.

Wir lassen die Herde in Ruhe weiter grasen und fahren vor uns hin, als ich plötzlich aus dem Augenwinkel etwas sehe. Etwas relativ großes, was sich parallel zu uns im Busch bewegt. Nach ein paar Metern wird der Busch etwas lichter und ich kann mich selbst im letzten Moment noch davon abhalten laut zu schreien. Stattdessen schnipse ich nur aufgeregt mit den Fingern (unser Signal, dass wir etwas interessantes gesehen haben und der Guide anhalten soll) und flüstere Norman so laut ich gerade eben kann zu: “Elephants! Elephants, three o’clock! Stop Stop Stop!”. Sofort stoppt Normal den Wagen und alle schauen aufgeregt nach rechts. Parallel zur Straße läuft ein kleiner Elefant neben uns her. Schnell sehen wir auch, wo er hin will, denn ein Stück weiter finden wir seine Mutter und drei andere Elefantenkühe. Wieder zücken wir unsere Kameras, als plötzlich etwa fünfzig Meter vor uns ein weiterer Elefant aus den Büschen hervortritt und gelassen die Straße überquert. Das Tier ist riesig und wunderschön. Es ist offensichtlich die Matriarchin der Herde. Sie schaut kurz in unsere Richtung, lässt sich aber nicht weiter stören und geht entschlossenen Schrittes an den anderen Elefanten vorbei, die ihr umgehend folgen, und sie verschwinden in den dichten Busch. Das ganze Sighting kann nicht mehr als drei Minuten gedauert haben, aber ich bin komplett von Glück erfüllt und merke erst jetzt, dass mir eine Träne über die Wange läuft. Wie sehr habe ich diese wunderschönen Dickhäuter vermisst!

Norman dreht sich zu uns um. “Ich glaube, ich weiß wo sie hin wollen, da hinten ist ein Wasserloch. Lasst uns um den Block fahren und schauen, ob wir sie auf der anderen Seite abfangen können”. Dann tritt er aufs Gas und wir halten uns fest. Wir heizen durch den Busch und versuchen, uns wenigstens vor den Ästen mit Dornen zu ducken. Natürlich kann man hier nicht wirklich schnell fahren verglichen mit einer normalen Straße. “Schnell” heißt hier so viel wie 20-30 km/h, die sich aber auf den Schotterstraßen von Karongwe anfühlen wie eine Schlittenfahrt über eine schwarze Buckelpiste.

Wir fahren zügig um eine Kurve, als Norman plötzlich voll in die Eisen geht. Zum Glück ist in Susie Q sowieso nicht sonderlich viel Beinfreiheit und ich bin ganz gut eingeklemmt, sonst wäre ich wahrscheinlich nach vorne auf Normans Schoß geschleudert worden. Als ich hoch schaue, sehe ich den Grund für die Vollbremsung: Wenige Meter vor uns mitten auf der Straße stehen zwei Nashörner, eine Mutter mit ihrem Kalb. Ich weiß nicht, wer von uns überraschter ist, die Tiere oder wir. Kurz stehen wir uns einfach nur gegenüber und schauen uns an. Dann verschwinden die beiden im dichten Busch, noch bevor wir unsere Kameras zücken können. Ein paar von uns erwischen noch ein Foto von zwei großen grauen Hinterteilen.
Wir können noch nicht ganz glauben, was für ein Glück wir gerade hatten. Gleich drei der Big 5 sind uns innerhalb einer halben Stunde quasi vors Auto gelaufen. Und dann noch ein Nashornkalb! Das ist etwas ganz Besonderes und wir sind unglaublich dankbar dafür.

Die Elefanten erwischen wir dann nicht noch einmal, aber wir sind trotzdem mehr als glücklich, als wir zurück im Camp ankommen. Norman bittet uns, nicht vor der anderen Gruppe anzugeben. wir waren eben einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist ehrlich gesagt ein bisschen schwierig, weil wir nach dem Drive voller Adrenalin sind und den anderen alles erzählen möchten. Ich finde Nicoline an der Feuerstelle. Sie sieht mir direkt an, dass wir etwas tolles erlebt haben und fragt nach. Ich erzähle ihr von unseren Sightings und sie freut sich riesig für uns. Wir haben ja auch noch knapp zwei Monate Zeit und wie sich heraus stellen soll, wird ihre Gruppe schon ganz bald auch beeindruckende Sightings erleben.