Meine Gruppe ist heute Morgen wieder mit Nathan unterwegs. Wir haben ihn die letzten Tage so lange bearbeitet, bis er endlich zugestimmt hat, mit uns in den Norden des Reserves zu fahren. Dorthin, wo die Löwen sich normalerweise aufhalten. In den knapp zwei Wochen, die wir nun hier sind, haben wir noch keine einzige Katze gesehen und langsam können wir es nicht mehr aushalten.
Wir fahren also um 5:30 Uhr los und düsen Richtung Norden. Dabei lassen wir erstmal alles rechts und links liegen, wir haben keine Zeit für Impalas anzuhalten, die sehen wir mehrmals jeden Tag. Unterwegs hört Nathan genau auf die eingehenden Funksprüche. Schließlich kommt die Meldung, auf die wir gewartet haben: Jemand hat die “Ngala” gefunden.

Wenn Tiere über das Radio gemeldet werden, verwenden Guides fast nie die englischen Bezeichnungen, sondern eine andere Sprache, damit die Gäste die Funksprüche nicht verstehen. Wenn also ein besonders aufregendes Sighting am anderen Ende des Reserves gemeldet wird und man z.B. keine Zeit oder keine Lust hat, dort hin zu fahren, können die Gäste nicht rumnerven, dass sie da unbedingt hin wollen.
In Karongwe und weiten Teilen des Kruger Nationalparks verwendet man die Bezeichnungen in der Sprache der Shangaan. Norman hat uns eine Liste mit den wichtigsten Codenamen gegeben, “Ngala” heißt “Löwe”.

Wir fahren zum genannten Ort. Nathan stellt dabei unter Beweis, dass er genau so heizen kann wie Norman. Wir nennen das gerne die “Ferrari Safari”.
Als wir in der Nähe des Sightings sind, erfahren wir, dass es bereits einen Stand-by gibt, das Sighting also aktuell voll ist. Für jedes Sighting gibt es eine maximale Anzahl an Fahrzeugen, die sich dort aufhalten dürfen. Das hängt einerseits davon ab, wieviel Platz vor Ort ist und andererseits vom Tier und vom Reserve. In Karongwe ist das Maximum pro Sighting normalerweise zwei Fahrzeuge, kann aber variieren. Bei scheuen Tieren oder einem besonders empfindlichen Sighting, z.B. einem Leoparden mit Jungtier, ist maximal ein Fahrzeug erlaubt.

Wir entscheiden, uns auf die Stand-by Liste setzen zu lassen, schließlich sind wir den ganzen Weg hierher gekommen. Es gibt nur einen Weg rein und raus aus dem Sighting, da die Löwen es sich an einer schwer zugänglichen Stelle gemütlich gemacht haben. Wir müssen ca. eine halbe Stunde warten, bevor das Fahrzeug vor uns wieder heraus kommt. Als der Fahrer uns passiert, schüttelt er nur mit dem Kopf. “Nichts zu sehen”, sagt er zu unserer Enttäuschung, “Sie müssen wohl weiter gezogen sein, hier sind sie jedenfalls nicht”.

Natürlich lassen wir uns davon nicht beirren und Nathan lenkt unseren Landy trotzdem an den Ort, wo die Löwen zuletzt gesehen wurden. Wir fahren im Schritttempo und halten die Augen offen. Der Boden ist hier hauptsächlich aus Granit und Sand, also quasi Löwenfarben und wir wissen, dass man die Katzen leicht übersehen kann.
Plötzlich ruft Coneth hinter mir: “Da, im Busch, da ist einer von ihnen!”
Ich glaube, ich habe Coneth noch nicht erwähnt, er ist nach dem Erste-Hilfe-Kurs zu unserer Gruppe gestoßen und wird nur die erste Qualifikation, also die ersten 55 Tage, mit uns machen. Er kommt aus Johannesburg und verbringt seit er denken kann jeden freien Tag auf Safari im Kruger. Dabei hat er immer nur ein Ziel: Leoparden sehen, die sind seine absolute Leidenschaft.

Wir schauen alle in die Richtung, in die Coneth deutet und tatsächlich, keine fünf Meter neben uns liegt ein Löwe im Busch und schaut uns an. Es ist ein junges Männchen, das nur leichte Anzeichen einer pubertären Mähne zeigt. Und plötzlich entdecken wir immer mehr Löwen um ihn herum. Sie alle liegen unter den Büschen, das Fahrzeug vor uns hat wahrscheinlich einfach an der falschen Stelle gesucht, genau wie wir.

Nathan fährt uns um den Busch herum, wo wir nun auch die ausgewachsenen Löwinnen sehen können und zu unserer großen Freude auch ein Baby, nur wenige Monate alt. Nur das große Männchen bekommen wir nicht zu Gesicht, ist vielleicht gerade auf Revier-Patrouille. Das Kleine ist ziemlich interessiert an uns und schaut uns neugierig an. Wir bleiben ca. eine halbe Stunde dort und schauen zu, wie der kleine Löwe mit seinen riesigen Tatzen nach Insekten schnappt, die um ihn rum kriechen, und mit einem kleinen Baumspross spielt.
Es ist wirklich nicht fair, dass die Kleinen so unglaublich süß sind und man sie eigentlich nur knuddeln will, es aber nicht darf (oder sollte).

Da es zwar noch früh, aber schon heiß ist, haben wir keine Hoffnung, dass die Löwen sich in näherer Zukunft bewegen werden. Wir machen uns also auf den Rückweg. “Four down”, sage ich zu Coneth. “One to go”, antwortet er. Wir haben also vier der Big 5 gesehen. “Come on, let’s smash a leopard on the way home”.
Ein Leopard will sich leider auch heute nicht zeigen, aber auf dem Weg zurück zum Camp treffen wir auf ein Fahrzeug von gvi, einem Research-Unternehmen, das ebenfalls in Karongwe seine Base hat. Die gvi-Mitarbeiterin erzählt uns, dass sie in dieser Umgebung das Signal der Geparden empfangen hat, einer der Geparden trägt nämlich ein Halsband mit GPS-Sender, damit gvi die Katzen überwachen kann. Wir bedanken uns für die Info und halten wieder die Augen offen.
Nathan weiß, dass die Cheetahs sich gerne in der Nähe des westlichen Zauns aufhalten und dort fahren wir hin. Nach nur wenigen Minuten Suche haben wir Glück und finden gleich vier Cheetahs. Die drei Männchen leben in einer Coalition und sie sind scheinbar auf das schwangere Weibchen getroffen, das so gar keine Lust auf die Avancen der Männchen hat. Jedes Mal, wenn die Jungs versuchen ihr zu nah zu kommen, fängt sie an zu fauchen und schwingt ihre Tatze nach ihnen. Das Ganze ist super interessant zu beobachten und Nathan sagt uns, dass wir großes Glück haben, so etwas sieht man nicht oft.

Schließlich geben die Männchen auf und das Weibchen verzieht sich. Als sich die Männchen dann auch in den Schatten der Büsche legen, machen wir uns auf den Heimweg, wir haben für heute erstmal genug “Flat cats” gesehen und außerdem wartet das Frühstück auf uns.
Zurück im Camp werden die anderen grün vor Neid, als sie hören, dass wir die Löwen gesehen haben. Wir sagen ihnen, dass sie bestimmt auch bald in den Norden und zu den Löwen fahren werden. Da wissen wir allerdings noch nicht, dass sie sich noch eine ganze Weile gedulden müssen, weil erstmal ein paar Veränderungen anstehen.