Das erhoffte Gewitter kam letzte Nacht nicht mehr, trotzdem ist es heute deutlich angenehmer. Als ich mich um 8 Uhr zum Frühstück auf den Weg zum Speisesaal mache, sind angenehme 20 Grad, ein paar Wolken ziehen über den Himmel und es geht eine leichte Brise. Ich bin sofort erleichtert, dass es nicht mehr so schwül ist.

Als ich mich gerade über meine Cornflakes und mein Toast mit Bacon und Spiegeleiern her machen will, höre ich am Tisch neben mir, wie sich zwei Personen auf Deutsch unterhalten. Über EcoTraining und den Kurs, der morgen startet. Ich schaue rüber und erkenne Domenik von seinem WhatsApp-Profilbild. Er wird die Ausbildung mit mir machen. Ihm gegenüber sitzt Manuela, die den Ganzjahreskurs letztes Jahr gemacht hat und nun als Back-up zurück kommen darf.

Das sollte ich wahrscheinlich kurz erklären: Der erste Teil des Kurses zielt auf die Qualifikation als Apprentice Field Guide hin, damit darf man Gäste mit dem Auto durch den Busch führen. Danach folgt die Qualifikation als Back-up Trails Guide, um Gästen auf Bush Walks die Natur zu Fuß näher zu bringen. Hierfür muss man u.a. eine Prüfung mit dem Gewehr ablegen, da man als Trails Guide bzw. Back-up in Südafrika ein Gewehr mit sich führt. Manche Students dürfen nach erfolgreichem Abschluss ihres Kurses als Back-up in den EcoTraining Camps arbeiten, dort den Instructors zur Hand gehen und eben die neuen SchülerInnen auf Bush Walks begleiten.
Manuela wird also als Back-up mindestens für den ersten Teil unserer Ausbildung ebenfalls dabei sein. Domenik und ich dürfen sie netterweise direkt beim Frühstück mit unseren Fragen löchern und was sie zu erzählen hat, macht mir alles nur noch mehr Lust in den Busch aufzubrechen.

Nach dem Frühstück setzen Domenik und ich uns am Pool in die Sonne, als Shuma zu uns stößt. Er kommt aus Japan und wird ebenfalls die Ausbildung mit uns antreten.
Als kurze Zeit später Manuela kommt und fragt, ob jemand von uns noch was einkaufen müsse, fahre ich spontan mit ihr. Wir steigen in einen Uber und fahren ca. 15 Minuten durch Johannesburg zum “Shopping Centre”. Das ist ein starkes Wort für eine Ansammlung von kleinen Shops, darunter immerhin ein Pick n Pay, ein verbreiteter Supermarkt im südlichen Afrika. Hier kaufe ich ein paar Flaschen Wasser und mehrere Packungen Batterien. Die wollte ich nicht von zu Hause mitnehmen, erstens weil das unnötiges Gewicht wäre und zweitens weil Batterien gerne mal am Flughafen aus Koffern raus genommen werden, dann wäre es auch noch verschwendetes Geld. Als ich später höre, dass genau das zwei meiner MitschüerInnen passiert ist, weiß ich, dass meine Entschiedung wohl richtig war.

Auf dem Rückweg zum Guesthouse habe ich dann wieder einmal eine interessante Uber-Fahrt. Plötzlich steht vor uns mitten auf der Straße ein LKW. Der Container, der eigentlich darauf liegen sollte, liegt neben dem LKW auf der Straße. Ist wohl während der Fahrt runtergerutscht. Keinen Schimmer, wie zur Hölle das passieren kann, vor allem auf gerader Strecke, die für afrikanische Verhältnisse nicht mal sonderlich holprig ist. Der Container hat mit einer Ecke ein anderes Auto erwischt, vom Heck des Autos ist nicht mehr viel übrig. Immerhin scheint niemand verletzt zu sein, es stehen zwar ein paar Leute drum rum, aber die Stimmung scheint erstaunlich entspannt, die Autos aus der Gegenrichtung fahren kurzerhand über den Gehweg. Wir allerdings kommen erstmal nicht weiter und mein Fahrer scheint die Straßen auch nicht sonderlich gut zu kennen, er schaut ständig auf die Karte und fragt irgendwann sogar mich, ob ich den Weg kenne. Kenne ich zufällig aber nicht. Irgendwie haben wir es dann zurück zum Guesthouse geschafft.

Als ich wieder zum Pool komme, ist unsere Gruppe gewachsen, Jenny und Daniel, ein verheiratetes Paar aus Deutschland, und Sophia, ebenfalls aus Deutschland, sind dazu gestoßen. Sophia hat den Field Guide Level 1 Kurs, also die erste Qualifizierung, schon vor ein paar Jahren gemacht und macht jetzt mit uns den Ganzjahreskurs. Sie hat uns also schon einiges an Wissen voraus und wir anderen können bestimmt viel von ihr lernen. Jenny und Daniel sind schon seit ein paar Jahren in der Welt unterwegs und haben die letzten Jahre in Australien gelebt. Jetzt hat auch sie der Ruf Afrikas hier her gelockt.

Ich bin ja schon stolz auf mich, dass ich vor Kursbeginn angefangen habe, ein paar Vogelrufe zu lernen. Wenn ich aber dache, dass ich meinen MitschülerInnen damit etwas voraus hätte, habe ich weit gefehlt. Sophia kennt natürlich noch viele von ihrem Kurs und auch Jenny und Daniel haben schon vor Monaten mit dem Lernen der Vogelrufe begonnen. Und zwar aus dem gleichen Grund wie ich: Wir alle können der Ornithologie bisher nicht viel abgewinnen und haben ziemliche Angst vor der Vogel-Prüfung.
Auch wenn anfangs ein paar Gesprächspausen entstehen und wir alle noch ein bisschen auftauen müssen, drehen sich jedes Mal alle Köpfe, wenn ein neuer Vogelruf erklingt oder etwas in den Zweigen der Bäume um uns herum raschelt. Mit vereintem Wissen können wir tatsächlich alle Vögel um uns herum mit relativer Sicherheit bestimmen, was ich schon beeindruckend finde, schließlich hat der Kurs ja noch gar nicht angefangen. Was für Nerds wir doch alle sind!

Wenig später kommen dann auch noch Anka und Mika (ebenfalls aus Deutschland) dazu sowie Glauco aus Italien und Moritz aus Österreich. Das mit dem Auftauen ist dann auch schnell erledigt, denn Mika animiert erstmal alle zu einem Bier bzw. Cider. Und was soll ich sagen, einem kühlen Savanna an einem heißen Tag kann ich nicht widerstehen. Wir bestellen Mittagessen an der Rezeption und es wird uns zum Pool gebracht. Irgendwie werden aus der einen Runde schnell mehrere, während alle ein bisschen von sich und vergangenen Reisen erzählen und vor allem Mika – neben mehr Getränken – eine Geschichte nach der anderen von seinen bisherigen Abenteuern in der Weltgeschichte zum Besten gibt. Auch wenn ich von vielen seiner Vorstellungen und Ideen und seinen Witzen darüber, was er während des Kurses alles so anstellen will, nicht gerade überzeugt bin, muss ich Mika eins lassen: Seine “Scheiß auf morgen und leb das Leben in vollen Zügen”-Einstellung ist bewundernswert. Langweilig wird es die nächsten Monate bestimmt nicht. Ob das gut oder schlecht ist, gilt es wohl abzuwarten.

Savanna muss sein.

Später wird uns klar, wie lange wir schon in der Sonne sitzen und dass einige von uns inzwischen ziemlich verbrannt sind, ich wohl am schlimmsten. Da immer wieder Leute aufgestanden und wieder gekommen sind, in den Schatten oder in die Sonne wollten, haben wir quasi den ganzen Tag ein fröhliches Bäumchen-wechsel-dich gespielt. Irgendwie scheine ich es aber geschafft zu haben, permanent frontal zur Sonne zu sitzen. Mein Gesicht kann man wohl gerade noch unter “Farbe bekommen” verbuchen, aber meine Arme und meine Oberschenkel sind krebsrot und brennen wie verrückt. Selbst die dünne Decke tut schon weh auf der Haut. Ganz ohne möchte ich aber wegen der Mücken auch nicht schlafen… Ich stelle mich also auf eine unangenehme Nacht ein. Und ja, Mama, ich war eingecremt! Aber es ist fast so, als wäre mein Körper diese starke Sonneneinstrahlung nach dem Winter in Deutschland nicht gewohnt…

Sieht man, dass ich eine Uhr getragen habe?

Die restlichen Kursteilnehmer werden wir morgen kennenlernen, ein paar von ihnen werden hier zum Guesthouse kommen und mit uns mit dem Bus fahren, die anderen werden erst in Nelspruit dazu stoßen.
Ich bin gespannt, wie es weiter geht, versuche nun aber erstmal zu schlafen. Morgen um 6:30 Uhr sind gleichzeitig Frühstück, Treffen und das Verladen des Gepäcks in den Bus angesetzt. Mal sehen, wie das funktioniert.