In fünf Tagen um diese Zeit sitze ich im Flieger nach Johannesburg.
In einer Woche um diese Zeit bin ich im dortigen Guesthouse und liege wahrscheinlich voll Aufregung wach, wenn ich eigentlich längst schlafen sollte, weil es am nächsten Morgen früh los geht.
In zehn Wochen um diese Zeit könnte ich schon meine erste Qualifikation als offiziell zertifizierter Safariguide in der Tasche haben, vorausgesetzt ich bestehe die nötigen Prüfungen.
Zum Glück habe ich das alles bisher noch nicht realisiert, sonst wäre an Schlaf wohl schon längst nicht mehr zu denken.

So langsam kann ich mir aber nicht mehr einreden, dass es bis zu meiner Abreise noch lange hin ist und ich noch alle Zeit der Welt habe um sie mit Freunden und Familie zu verbringen, eine Serie zu Ende zu schauen, ein Spiel durch zu zocken… Letztes Wochenende war meine Abschiedsfeier, wo ich die meisten meiner Freunde wohl zum letzten Mal für die nächsten elf Monate gesehen habe. Es war ein wundervoller Abend, aber es flossen auch die ersten Tränen.

Ich habe inzwischen natürlich zig Menschen in meinem Umfeld erzählt, was ich vor habe. Und ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber die Reaktionen waren eigentlich alle ähnlich: Erst ein “Was? Ich wusste gar nicht, dass man sowas machen kann!” gefolgt von “Wow, das ist ja mega cool!”. Niemand hat mich für verrückt erklärt oder versucht, mir den Plan auszureden. Ganz im Gegenteil, es endet fast immer mit “Ich wünschte, ich könnte auch einfach mal weg und was ganz anderes machen”.

Was natürlich auch meistens kommt, ist die Frage nach dem Warum. Warum mache ich das überhaupt?
Ich wünschte es wäre so einfach wie “Warum nicht?”. Das gilt für mich immerhin in Bezug auf den Zeitpunkt, also eher “Warum nicht jetzt?”. Ich bin 28 und hatte bisher einen eher langweiligen Job im Kundenservice eines Reiseanbieters, der mich nicht ansatzweise gefordert hat. Der Job war damals, als ich 2020 dort angefangen habe, als “Übergangslösung” zu Corona-Zeiten gedacht, doch plötzlich saß ich über drei Jahre später immer noch am selben Schreibtisch. Es muss also dringend eine neue Herausforderung her.
Aber ausgerechnet eine Ausbildung zum Safariguide?
Da gibt es natürlich schon Einiges, was auf dem Papier erstmal dagegen spricht; die horrenden Kosten des Kurses, ein Jahr lang von Familie und Freunden getrennt sein, monatelang im Zelt schlafen, dieses Zelt mit einer fremden Person teilen, im Malariagebiet leben, nicht wissen, wann man das nächste Mal Strom, geschweige denn Internetzugang hat, ein halbes Jahr lang lernen, lernen und noch mehr lernen und dann reihenweise Prüfungen ablegen, nur um danach ein halbes Jahr lang unbezahlt in einem harten Job zu arbeiten…

Aber ich habe nun jahrelang jeden möglichen Cent für genau diesen Kurs gespart. Mit Familie und Freunden kann ich schreiben, wann immer ich Internet habe. Ans Campen gewöhnt man sich und meine MitschülerInnen lerne ich sowieso schnell kennen. Gegen Malaria kann man sich mit Prophylaxe-Tabletten, langer Kleidung und gutem insect repellent schützen. Batteriebetriebene Lampen aller Art und Powerbanks sind eingepackt. Vor der Menge des Lernstoffs habe ich zwar echt Respekt, aber ich freue mich auch darauf mal wieder was ganz Neues zu lernen.
Ich möchte so viel wie möglich über die Natur lernen, die uns umgibt, über die großen und kleinen Tiere und Pflanzen und wie alles miteinander zusammenhängt. Und da das reine Lesen und auswendig Lernen aus Büchern nie wirklich mein Ding war, sondern ich lieber mit allen Sinnen, quasi “am lebenden Objekt”, lerne, scheint der Kurs wie für mich gemacht. Hier können wir das, was wir in den täglichen Unterrichtsstunden lernen, wenigstens gleich beim nächsten Game Drive oder Walk anwenden.

Ich bin zwar nicht der größte Camping-Fan der Welt, doch in nicht eingezäunten Camps in einigen der schönsten und wildesten Flecken Erde zu übernachten, wo man von Löwengebrüll aufwacht und die Elefanten am Zelt vorbei schreiten, klingt einfach verlockend.
Die Vorstellung von einem Jahr in der afrikanischen Wildnis übt einfach eine Anziehung auf mich aus, die alle Wenns und Abers aufwiegt. Nie zu wissen, was man an einem Tag sehen und erleben wird, sich einfach von der Natur überraschen zu lassen, mit ein bisschen Glück unglaubliche Tierbeobachtungen zu erleben… Das magische Gefühl einer Safari lässt sich nur schwer in Worte fassen.

Zu Fragen wie “Was bringt dir das?” oder “Was kommt danach?” kann ich selbst noch nicht viel sagen, das wird sich dann schon irgendwie finden. Die Wahrheit ist, dass ich aktuell eigentlich gar keine Pläne für nach dem Kurs habe und erstmal abwarten will, was passiert, was ich alles lerne, nicht zuletzt über mich selbst, und was sich danach für Chancen auftun. Vielleicht lassen sich meine neu gewonnenen Erfahrungen und Skills ja auch mit meiner Arbeitserfahrung in der Tourismusbranche verbinden. Aber das sind Fragen für einen späteren Zeitpunkt, jetzt will ich erstmal die nächsten Monate in einer völlig neuen Umgebung und mit neuen Menschen und Erfahrungen genießen.

Inzwischen sitze ich auf viel zu schweren und prallvoll gepackten Koffern. Unglaublich, was man für so eine Reise alles braucht! Naja, ob ich am Ende alles brauche, wird sich wohl zeigen, aber ich habe die Packliste von EcoTraining fleißig abgearbeitet und darüber hinaus noch tausend andere Dinge eingepackt, die mir nützlich schienen. Sicher ist sicher. Ich bin gespannt, ob meine MitschülerInnen auch so viel Zeug dabei haben wie ich oder ich da als die total übervorbereitete Deutsche ankomme.
Generell bin ich sehr gespannt auf meine Gruppe. Wir haben seit heute einen WahtsApp Chat für meinen Kurs, natürlich waren neben einer Südafrikanerin als erste fünf Deutsche in der Gruppe. Naja, bleibt wohl nicht aus und ich als Deutsche kann den Deutschen wohl auch nicht den Vorwurf machen, dass die Deutschen überall auf der Welt anzutreffen sind… Trotzdem hätte ich mir die Gruppe eigentlich internationaler gewünscht. Da ich selbst erst von der Warteliste nachgerückt bin, gehe ich davon aus, dass der Kurs voll ist, das heißt wir müssten so um die 16 Leute sein.
Ich bin also gespannt, wer noch so dazu kommt.